Warum das aktuelle Jugendwort des Jahres viel über das eigene Alter verrät.

Warum das aktuelle Jugendwort des Jahres viel über das eigene Alter verrät.
Es ist wieder soweit – Die vom Langenscheidt-Verlag ausgewählten Experten haben sich für das Jugendwort des Jahres entschieden: „Ehrenmann/Ehrenfrau“. Seltsam normal, richtig? Interessanterweise wurde dieses Wort bereits im Mittelalter verwendet. Da frage ich mich, warum manche Begriffe wieder im Sprachgebrauch auftauchen oder sogar die Zeit überdauern?

 

Quelle: unsplash.com

Bei Erwachsenen verpönt? Ja, das gilt eigentlich für Jugendsprache. Mir kommt dabei sofort der Gedanke an „dazugehören“ wollen. Ich sehe meinen Vater vor mir, wie er gutgemeint das Wort „Klasse“ sagte, um sich in unser jugendliches Lebensgefühl hinein zu spüren. Doch ich empfand das als eher unpassend und anbiedernd – es war doch „unser“ Wort! In meinen Ohren klang es fremd und künstlich eingefügt, denn es gehörte ja gar nicht zu seinem üblichen Wortschatz. Er bewirkte damit eher das Gegenteil – nicht Nähe, sondern Abstand. Ich war mit solchen Erfahrungen nicht allein. Ein Jugendlicher von heute würde sagen: „Papa, du bist peinlich.“ Doch damals war für mich als brave Tochter gar nicht daran zu denken.

 

Jugendworte dienten schon immer auch der Abgrenzung von der Erwachsenenwelt. In unserer heutigen digitalen Welt tauchen sie in großer Anzahl immer neu auf und halten sich auch nicht allzu lange. Nicht einmal wenig ältere Zeitgenossen können die jugendliche Geheimsprache entschlüsseln.

 

Einst Jugendwort – heute immer noch „in“.

 

Bemerkenswert, wie sich einige Worte aus meiner Jugendzeit bis heute gehalten haben. So habe ich einige Zeit lang sehr häufig das Wort „toll“ gebraucht. Bis mir eines Tages auffiel, dass ich dieses Wort von der eigentlichen Bedeutung her, nämlich „verrückt“, gar nicht so „toll“ finde. Es störte mich, dass ich es so oft als Beschreibung für viele verschiedene Gefühlsregungen benutzte. Letzten Endes dient es als einfacher Ersatz für genaue, feine Worte. Dennoch erlaube ich mir, es mit Lust immer wieder einmal aus meinem Mund herausrutschen zu lassen, wenn mich etwas stark begeistert. Gefühle lösen eben Worte aus.

 

„Das ist ja geil!“ – Autsch.

 

Spezielle Gefühle sind mit speziellen Worten verbunden. So haben wir in meiner Jugendzeit  das Wort „geil“ nur im Zusammenhang mit sexueller Geilheit verwendet. In den 1980er Jahren verbreitet es sich in der Jugendsprache zunehmend in der Bedeutung von  „außerordentlich gut“, wie: „geiler Film“ oder „geile Musik“. Es hat sich lange gehalten, denken wir an die Werbung einer bekannten Supermarktkette im Jahr 2013: „Geil, supergeil!“ raunte Friedrich Liechtenstein damals medienwirksam. Langsam scheint die Verwendung abzuebben und in der Jugendsprache gilt dieses Wort mittlerweile sogar als „out“. Ich selber konnte „geil“ nie über die Lippen bringen, einfach, weil es in meinem Gehirn in Verbindung mit sexueller Geilheit einprogrammiert ist. Ein unschickliches Wort, das unmittelbar in den Unterleib springt.

 

So oder so ist und bleibt Sprache, ob in der heutigen Zeit wie auch in der Vergangenheit, ein Spiegel des Zeitgeists. Mögen wir auch manchmal verwundert über die eine oder andere Sprachvariation der Jugend sein, sind diese doch genau wie in jeder Zeit der Jugend eine Möglichkeit der Abgrenzung und Versuch der Selbstdefinition. Es gibt wohl weitaus schlimmere Dinge und somit bin ich gespannt auf das nächste Jahr mit all den neuen Wortneuschöpfungen oder auch neu aufgelegten „Oldies“.