Neuer CDU-Parteivorsitz: Was die Körpersprache von Siegerin und beiden Verlierern so spannend macht

Fast den ganzen Tag beobachtete ich auf Phönix gespannt die Körpersprache der Kandidierenden für den CDU-Parteivorsitz. Besagt sie doch meist weitaus mehr als das pure Wort. Wie überzeugend wirken wohl die Favoriten Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz in ihren Reden? Vor allem: Wie werden sich beide in ihrer jeweiligen Sieger- bzw. Verliererposition verhalten?

 

Annegret Kramp-KarrenbauerQuelle: AP

 

Die zunehmende Spannung sprang auf mich über, zumal es gefühlte zwei Stunden lang hieß: Gleich stellen sich die drei Kandidierenden für den CDU-Parteivorsitz mit einer jeweils 20-minütigen Rede und abschließender kurzer Fragerunde vor.

Ein letztes Mal die Chance, noch Unschlüssige von sich zu überzeugen

Alle drei Kandidierenden liefen gleichermaßen zur Hochform auf. Was insbesondere für Annegret Kramp-Karrenbauer – in der Öffentlichkeit zum CDU-Parteivorsitz gern „AKK“ genanntund Friedrich Merz mit anschließendem langem Beifall und Hochrufen der jeweiligen Unterstützer bedacht wurde.

AKK setzte leidenschaftlich-kämpferisch mit gut gesetzten Pausen ein Ziel nach dem anderen, mit peitschenden Gesten und für ihre Verhältnisse abwechslungsreicher Mimik. Sie gebrauchte öfter als sonst ihre beiden seitlich hinweisenden Zeigefinger und ballte häufig ihre Hände zu entschlossen Fäusten. Die leicht geneigte bittend-demütige Kopfhaltung hatte sie abgelegt und senkte ebenfalls ihre normalerweise gleichförmig laute Stimme öfter einmal zum Satzende hin. Insgesamt bewegte sie sich akzentuierter und wendiger als sonst.

Quelle: Reuters

Friedrich Merz  ging es vor allem darum, polarisierend an Emotionen anzusetzen und in der Rolle als Mahner und Heilsbringer die in der Gesellschaft vorhandenen Ängste anzusprechen. Gekonnt überspielte er seine anfängliche Anspannung, indem er häufige, teils unpassende Pausen setzte, doch dadurch die für ihn typische anfängliche Atemnot überwinden konnte.

Quelle: AFP

Im Verlauf seiner Rede lief der männliche Favorit für den CDU-Parteivorsitz dynamisch mit gezielt punktierter Gestik und appellierender Mimik auf, wandte sich verbindlich zu Angela Merkel, der er für ihren Erfolg Anerkennung zollte. Aufschlussreich, dass er sich dabei kurz an seine Nase tippte. Ich schmunzelte. Er möchte nun gern den Erfolg einheimsen. Allerdings zeigte er insgesamt wenig Kampfgeist, wechselte unruhig das Standbein und las vorwiegend vom Manuskript ab.

Jens Spahn, der als chancenloser Kandidat zum CDU-Parteivorsitz nichts zu verlieren hatte, wirkte souverän, gelassen und humorvoll. Trat sowohl gestisch als auch mimisch lockerer als sonst auf. Das ihm, zusammen mit seiner kollegial gestimmten Rede im ersten Wahlgang, einige zusätzliche Stimmen verschaffte.

Qelle: DPA

 

Endlich: Auszählung der Stimmen

Atemlose Spannung. Mit 450 zu 392 Stimmen Vorsprung für AKK. Nach der entscheidenden Stichwahl: AKK als Siegerin mit 517 Stimmen. Merz verbuchte knapp dahinter 482 Stimmen.

Die Spannung löste sich explosionsartig gleichermaßen in Begeisterung und Enttäuschung.

Wie gingen Siegerin und Unterlegener mit den neu bestimmten Rollen um?  

AKK, die sich bereits durch das Mut machende Ergebnis des ersten Wahlgangs unterstützt gefühlt haben muss, zeigte sich nach Ihrem Sieg zum CDU-Parteivorsitz glücklich erleichtert. An ihrem Gang zur Tribüne offenbarte sich die abfallende Spannung durch einen leicht schwankenden Gang. Sie wischte sich Tränen der Rührung aus ihrem Gesicht, winkte stolz und erschöpft, sich  bescheiden bedankend, abwechselnd nach allen Seiten und hob schließlich beide Hände als Abschlusssignal für den Beifall und warf strahlend einen beidhändigen Handkuss in die Menge.

Friedrich Merz erhielt bereits durch das Ergebnis des ersten Wahlgangs zum Parteivorsitz die Chance, sich auf eine potentielle Schlappe einzustellen. Die Enttäuschung war ihm bereits hier an seiner versteinerten Mimik anzusehen. Während der Auszählung der Stimmen für die Stichwahl nahm er seine Schutzhaltung mit eng um den Körper geschlungenen Armen ein oder verbarg sein Gesicht mit der Hand. Suchte zur emotionalen Entlastung Gesprächskontakt sowohl nach rechts und links.

Das für Merz niederschmetternde Ergebnis. Die kollegiale Gewinnerin.

Enttäuschter Gesichtsausdruck. Schnell überspielte Merz seinen Frust und eilte zusammen mit Jens Spahn zu AKK. Ließ sich gratulierend von ihr umarmen und nahm sie, zusammen mit Spahn, kollegial ein Stück des Weges zur Bühne begleitend in die Mitte.

Er fing sich schnell und spielte gut trainiert den souveränen Verlierer. Doch auch während seiner Glückwunschrede beobachtete ich, dass sein professionelles Lächeln nicht den entmutigten Augenausdruck verbergen konnte: „Ich hätte zwar gerne gewonnen, aber die vergangenen Wochen haben trotzdem viel Spaß gemacht.”

Allerdings trat er so schnell wieder von der Bühne ab, dass ihn AKK, die ihm bereits zum Dank entgegeneilte, nicht mehr einholen konnte. Ein weiteres kleines körpersprachliches  Zeichen seiner unterlegenen Position: Fluchtartig wieder aus dem Blickfeld zu verschwinden.

Doch AKK bat wenig später ihn und Jens Spahn auf die Bühne, um beiden partnerschaftlich dankend, ein letztes Mal rechts und links an ihre Seite zu platzieren. Eilig verließ der gescheiterte Hoffnungsträger der Wirtschaft den Saal.

Fazit:

Ein für mich immens spannender Ausgang zum CDU-Parteivorsitz. Nicht nur wegen der Entscheidung zugunsten von Annegret Kramp-Karrenbauer, sondern insbesondere wegen der faszinierenden körpersprachlichen Reaktionen der Beteiligten nach der Abstimmung. Worte können begeistern, mitreißen oder verzaubern. Doch der Körper lügt nicht. Nie.