Starkes oder schwaches Geschlecht? – Gleichberechtigung ist mehr als männlich oder weiblich.

Starkes oder schwaches Geschlecht? – Gleichberechtigung ist mehr als männlich oder weiblich.
In Zeiten von Sexismus-Debatten, allgegenwärtiger Diskussion über Frauenquote und Kampf um Lohngleichheit könnte man meinen, es handle sich um das Rennen der Geschlechtervorherrschaft in unserer Gesellschaft. Lohntransparenzgesetz, Weltfrauentag und Equal-Pay-Day zeigen, wenn auch bisher nur bedingt erfolgreich, dass Bewegung im Thema Geschlechtergleichberechtigung zu spüren ist. Frauen haben sich eine unüberhörbare Stimme verschafft. Ernstzunehmende Resultate in Privatleben, Beruf, Wirtschaft und Politik sind nur noch eine Frage der Zeit. Aber hat es die Männerwelt wirklich verdient in allen Bereichen bekämpft zu werden?
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Die Zeiten für Männer sind härter geworden – in jeder Lebenslage. Nicht mehr sie allein gelten als das starke Geschlecht, sondern haben ernstzunehmende Konkurrenz in Beruf und Privatleben vom ehemals „schwachen“ Geschlecht bekommen. Aus einer gesellschaftlich verankerten weiblichen Zurückhaltung zu Geschlechtergerechtigkeit hat sich eine Stimme geformt, die mobil macht im Kampf gegen alte Traditionen und männerdominierte Bastionen. Ja, es wurde dringend Zeit, dass Missstände ausgesprochen, Diskussionen geführt und auch Politik und Wirtschaft anerkennen mussten, dass großer Veränderungsbedarf besteht. Aber muss es wirklich ein Kampf sein, der bis in die kleinsten Rückzugsorte privaten Lebens geführt werden soll?

Der Mann als verfolgte Spezies

Genügend Stoff zum Debattieren haben Feministinnen genug: Der Mann als alteingesessene Führungsfigur, die keine weibliche Konkurrenz duldet. Sich sogar bedroht fühlt in Männlichkeit und Machtstatus. Deshalb fähigere oder talentiertere Frauen in seiner Domäne nicht akzeptieren oder befördern will. Die aus menschheitsgeschichtlicher Weiblichkeit erzwungenen Care-Funktionen einer Frau, die von einer steilen Karriere abhalten, sobald sie Mutter wird. Das männlich gezeichnete Bild der Frau, die lieber gefallen möchte, als sich in der Arbeitswelt durchzusetzen. Aber an Weiblichkeit verliert, sobald sie Zähne zeigt, hart und durchsetzungsstark agiert wie ein Mann. Viele Stereotypen, aber auch viel Wahrheit, die ja bekanntlich in der Mitte liegt.

Tatsache ist, dass Frauen bis heute und trotz Gleichberechtigungsgesetz immer noch weniger verdienen als Männer in gleichen Positionen. Ebenso, dass Frauen in Führungspositionen deutlich unterrepräsentiert sind und durch die ihnen zugewiesenen Care-Funktionen Nachteile in Beruf und Karriere zu erwarten haben.

Ist also der Mann schuld? Ist er, ob nun als Gesetz verdrehender Politiker, chauvinistischer Chef oder egoistischer Partner, nicht eigentlich immer Schuld und gehört durch weibliche Stärke in seine Schranken verwiesen? Oder ist das womöglich doch zu einseitig gedacht?

Doch auch ein Mensch?

Diese Diskussion ist keine rein geschlechterspezifische Angelegenheit, sondern sollte etwas weiter gedacht werden. Männer sind nicht pauschal Diktatoren, Sexisten oder Egoisten, die weibliche Konkurrenz per Grundsatz als nicht ebenbürtig oder als Gefahr ansehen. Männer sind ebenso treue Familienväter, faire Kollegen und nette Nachbarn, die Frauen keinesfalls als Bedrohung ihrer Machtsubstanz ansehen, sondern gern mit ihnen arbeiten und sie als gleichberechtigt ansehen.

Die Debatte um mehr Geschlechtergleichberechtigung ist ein zukunftsweisender Prozess für gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Veränderungen, sollte aber nicht auf dem Rücken von alten Feindbildern oder mit Hilfe von Klischees ausgetragen werden. Das männliche Geschlecht ist keine homogene Gruppe, mit durchweg gleichen Attributen, die gemeinsam pauschalisiert werden sollte. Genauso wenig wie alle Frauen Feministinnen sind, die hart an der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern arbeiten.

Es geht nur zusammen.
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Wer wenn nicht die Männer?

Dass Frauen bis heute schlechter bezahlt und häufig in vielen Bereichen negativer gestellt sind als Männer, ist keine Frage und muss dringend einer Optimierung unterzogen werden. Diese fängt jedoch nicht bei der Degradierung des Mannes zum schuldigen Hassobjekt an. Sondern bei einem Umdenken in den Köpfen einer patriarchalisch orientierten Gesellschaft, die es eben lange als normal ansah, dass Frauen bestimmte Berufe nicht ausübten, weniger Geld verdienten oder sich ganz selbstverständlich um die Betreuung der Kinder kümmerten. Erst die wachsende Selbstbestimmung der Frau hat dazu geführt, dass Unterschiede sichtbar wurden und nun auch anklagbar sind. Denn nur Selbstbestimmung reicht nicht aus, um ein Regelwerk der Gleichberechtigung festzulegen. Geschlechterungleichheit aber allein einer machthungrigen, männlichen Natur zum Vorwurf zu machen, wäre etwas einfach gedacht und würde vergessen, dass eine Gesellschaft einem permanenten Veränderungsprozess unterworfen ist. Der Mann war lange (Haupt-)Ernährer, Oberhaupt oder Anführer, aber je lauter die Diskussion wird und je länger sie anhält, desto schneller wird jeder Mann verstehen müssen, dass er seinen (Arbeits-)Platz nun nicht mehr nur mit Geschlechtsgenossen teilen muss, sondern auch mit einer weiblichen Instanz. Aber insbesondere auch merken, dass eine Kooperation und gegenseitige Akzeptanz der vorhandenen geschlechtsspezifischen Gegensätze viele ungeahnte Vorteile haben wird.