Deeskalation im Alltag – Zugewandt reagieren und handeln

Auseinandersetzungen und Konflikte gibt es im Leben ständig. Wir leben und arbeiten heutzutage sehr dicht zusammen, insbesondere weil das Berufs- und Privatleben immer enger miteinander verschmelzen. Es kommt zu Spannungen und Belastungen, die schnell eskalieren können. Nur wie geht man mit Stress- und Konfliktsituationen richtig um? Denn auch wenn man seine Meinung äußern und verteidigen sollte, gilt es Eskalationen zu vermeiden – für das eigene Wohl und das seiner Mitmenschen.

 

Meist ist die Stimmung gut – manchmal muss es deeskalieren. Quelle: unsplash.com

 

Vor einigen Wochen konnte ich während einer Live-Sendung vom ZDF „Morgenmagazin“ mit anschauen, was es bedeutet, wenn es im eigentlich so gut durchgetackteten TV zu einem Sonderfall kommt. Dunja Hayali und ihr Co-Moderator Andreas Wunn wurden während ihrer Anmoderation von einer Frau aus dem Publikum attackiert. Diese überraschte die beiden Fernsehsprecher während des Intros von hinten und rempelte Hayali sogar sehr unsanft an, um diese dann vor laufenden Kameras in eine Diskussion verwickeln zu wollen. Nur Augenblicke später wurde zum Nachrichtenblock weitergeschaltet, um das Debakel für den Zuschauer zu beenden. Trotzdem bleibt dieses Intermezzo, insbesondere durch Hayalis gute Reaktion, ein wunderbares Beispiel für passende Deeskalation.

5 Regeln für den Alltag

Ob nun in solch einer Extremsituation oder beim Streit mit dem Partner – Konfliktpotenzial gibt es überall. Daher gilt es zu wissen, wie wir angemessen reagieren und handeln können, um explosive Situationen zu deeskalieren. In meinem aktuellen eBook „Körpersprache – gezielt deuten und handeln“ gehe ich u.a. auch auf diese Thematik genauer ein, da mich Seminarteilnehmer immer wieder fragen, wie sie in einer unvorhersehbaren Konfliktsituation deeskalierend agieren sollten. Auch wenn jedes Ereignis sehr spezifisch ist, gelten zumindest diese 5 Regeln als hilfreiche Leitlinie.

1. Ruhe bewahren

Wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe für uns alle: Sich zur Ruhe anhalten und nicht mit lauter Stimme oder Aggression reagieren. Damit würde die Situation sich nur noch weiter aufheizen.

2. Abstand halten

Parallel dazu einen angemessenen Abstand (ca. 2 Meter sind ideal) einnehmen. Insbesondere Menschen, die schon wütend oder aggressiv sind, empfinden einen zu nahen Körperkontakt als weitere Bedrohung oder Provokation.

3. Zugewandt und freundlich reagieren

Eine bestimmende Gestik und Mimik annehmen, aber trotzdem freundlich bis neutral auftreten. Dem Gegenüber soll deutlich werden: Bis hier hin und nicht weiter! Aber ich bin dir zugewandt und nehme dich war.

4. Provokationen vermeiden

Mitunter mag das Gegenüber so verärgert sein, dass auch unsachliche Bemerkungen oder sogar Beleidigungen fallen. Gerade hier ist jeder selbst gefordert, sich nicht mitreißen zu lassen und die Situation damit weiter zu verschärfen. Je unsachlicher eine Auseinandersetzung wird, desto weniger besteht die Chance auf eine Klärung.

5. Diskurs suchen und vermitteln

Sofern es möglich ist, mit ruhigen, aber bestimmten Worten, dem Gegenüber signalisieren, dass man bereit ist sich auseinanderzusetzen. Wo liegt das Problem? Warum ist das Gegenüber so aufgebracht oder verärgert? Was kann getan werden, um die Situation zu entschärfen? Sachlichkeit ist das Gebot der Stunde.

Bemerkenswerte Reaktion

Dunja Hayali und ihr Co-Moderator haben diese übergriffige Situation wirklich gut gemeistert, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Live-Sendung handelte und beide regelrecht von der Zuschauerin überfallen wurden. Wer rechnet denn schon mit solch einem unangekündigten Übergriff? Aber genau darin besteht die Kunst: In einer Extremsituation einen klaren Kopf behalten und sachlich wie schlichtend reagieren. Das sollte sich in verbaler und non-verbaler  Weise zeigen.

Hayali und Wunn sind ruhig geblieben, haben eine abgrenzende, aber freundliche und zugewandte Mimik beibehalten. Dennoch sehr entschieden reagiert und sich nicht von der Frau wegdrängen oder verängstigen lassen. Schließlich hätte sie auch andere Beweggründen haben können, als mit Hayali zu diskutieren. Danach haben beide mit deutlichen Worten und einladender Geste, die Ansprache direkt an die aufgebrachte Frau gerichtet, um sofort herauszufinden, was ihr Anliegen ist. Während Hayali versucht, behutsam aber bestimmt in ein Gespräch mit der Dame zu kommen, ergreift Wunn die Initiative und lässt die Sendung zu den Nachrichten weiterschalten, um der Situation professionell die Brisanz zu nehmen. Beachtenswert ist die Reaktion der Moderatoren auch insbesondere deshalb, weil Hayali in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Anfeindungen aus dem rechten Lager wurde, u.a. aufgrund ihrer kritischen Berichterstattungen zu den Pegida-Demonstrationen.

Besser als Eskalation

Man darf sich an Hayali im eigenen Leben ruhig ein Beispiel nehmen, auch wenn dazu sicher einige Übung und Selbstbeherrschung gehört. Wenn also ein Kollege nach dem Meeting schwer gereizt, die persönliche Auseinandersetzung forciert oder es bei der Suche nach einem Parkplatz in der überfüllten Innenstadt, droht in einen handfesten Streit zu eskalieren, an das hier Gesagte zurückdenken. Versuchen den Konflikt zu entschärfen, anstatt es zur Eskalation kommen zu lassen. Provokationen vermeiden und in den direkten Diskurs gehen. Notfalls natürlich den Rückzug antreten, falls die Situation nicht händelbar oder gefährlich wirkt. Natürlich endet nicht jeder Konflikt gleich in Beleidigung oder gar körperlicher Gewalt, aber selbst die erhobene Stimme und eine aggressive Haltung sollten keine wünschenswerten Reaktionen im Alltag sein.